Die Extremisten repräsentierten „nicht die Siedler in Judäa und Samaria“, sagte Netanjahu unter Verwendung des biblischen Begriffs für das Westjordanland. Schon am Sonntag hatte er „kraftvolle Maßnahmen“ gegen Gewalt im Westjordanland angekündigt.
Der Abriss des Außenpostens sorgt angesichts der ohnehin angespannten Lage im Westjordanland jedenfalls für Aufsehen. Wie mehrere israelische Medien, darunter „Haaretz“ und Times of Israel, berichteten, kam es bei der Aktion zu Zusammenstößen zwischen Soldaten und Siedlern. Bei dem Abriss handle es sich um ein „relativ ungewöhnliches Ereignis“, berichtete der öffentlich-rechtliche TV-Sender Kan am Montag.
Grund für den Abriss sind Anschuldigungen des Vorsitzenden des hiesigen Regionalrats, Jaron Rosenthal: Er hatte im September in einem Schreiben an den rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotritsch über „Anarchie“ geklagt und von Gewalt gegen israelische Bauern, Soldaten sowie der sexuellen Belästigung von Frauen berichtet.
Radikale Siedler wehren sich gegen Abriss
Er warnte zudem vor einer „unerträglichen Realität“, in der Menschen auf eigene Faust Siedlungen errichteten und dadurch bereits bestehende Siedlungen schädigten. Durch ein derartiges Vorgehen würde „die Entwicklung von Tausenden von Wohneinheiten“ behindert, stimmte Smotritsch, der auch für den Siedlungsausbau im Westjordanland zuständig ist, zu. In dem Außenposten, der der Times of Israel zufolge vor zwei Jahren errichtet worden war, sollen zuletzt 25 Familien gelebt haben.
„Stoppt die Bulldozer und verhindert die Zerstörung“, forderte die rechtsextreme Abgeordnete Limor Son Har-Melech. Sie ortete einen „gefährlichen Präzedenzfall“. Daniella Weiss, Anführerin der Siedlerbewegung Nachala, verurteilte den Abriss und rief dazu auf, „die Zerstörung Dutzender Häuser zu verhindern“. Nachala ist dafür bekannt, illegal Vorposten im Westjordanland zu errichten, die mit der Zeit zu Siedlungen ausgebaut und später oftmals auch von der israelischen Regierung anerkannt werden.
Siedlungsbau legte stark zu
Unter Netanjahu legte der Siedlungsbau im Westjordanland trotz internationaler Kritik stark zu. Erst im August wurde der umstrittene Plan E1 genehmigt, der das Westjordanland durchschneiden und von Ostjerusalem abtrennen würde. Inzwischen leben im Westjordanland rund 700.000 israelische Siedler und Siedlerinnen und knapp drei Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen.
Der Siedlungsbau in diesem Gebiet ist nach internationalem Recht illegal. Israel weist das zurück. Vor allem die rechtsextremen Minister in Netanjahus Kabinett wollen eine Annexion des Westjordanlands vorantreiben.
IMAGO/Anadolu Agency/Issam Rimawi
Seit Oktober 2023 kommt es im Westjordanland auch verstärkt zu Gewalt radikaler Siedler gegen Palästinenser
UNO: Höhepunkt der Gewalt im Oktober
Seit dem Massaker der islamistischen Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg haben sich die Spannungen im Westjordanland verschärft. Seitdem wurden dort nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen mehr als 1.000 Palästinenser und Palästinenserinnen getötet. Im gleichen Zeitraum sollen dort 59 Israelis getötet worden sein.
Zugleich greifen radikale israelische Siedler immer öfter Palästinenser im Westjordanland an: Das UNO-Menschenrechtsbüro meldete erst am Freitag, dass allein im Oktober mehr als 260 Angriffe auf Palästinenser registriert worden waren. Das seien mehr als in jedem einzelnen Monat seit 2006, hieß es.
Zwischen Oktober und Dezember findet in der Region die Olivenernte, die eine wichtige Lebensgrundlage für palästinensische Familien darstellt, statt. In dem Zeitraum nehmen Angriffe und Behinderungen durch Siedler besonders stark zu. Das dokumentierte die israelische NGO Jesch Din bereits für das vergangene Jahr.
Reuters/Ohad Zwigenberg
Premier Netanjahu will gegen Gewalt im Westjordanland vorgehen
Netanjahu kündigte „kraftvolle Maßnahmen“ an
Premier Netanjahu kündigte angesichts jüngster Übergriffe am Sonntag „kraftvolle Maßnahmen“ gegen Gewalt gegen israelische Soldaten wie auch gegen Palästinenser an. Er machte zudem deutlich, dass er gewalttätige israelische Siedler für eine Minderheit hält. Die große Mehrheit der Siedler sei gesetzestreu und dem Staat gegenüber loyal, so Netanjahu.
Stunden nach seiner Ankündigung teilte die Polizei der Times of Israel zufolge mit, dass sie drei jüdische Siedler festgenommen habe. Diese hätten am Samstag mit provisorischen Waffen bewaffnet ein militärisches Sperrgebiet auf dem Weg zu einem palästinensischen Dorf betreten.
Zuvor hatte auch Israels Generalstabschef Ejal Zamir die jüngsten Übergriffe verurteilt. Israels Militär werde das Verhalten einer kriminellen Minderheit, die eine gesetzestreue Bevölkerung in Verruf bringe, „nicht tolerieren“, sagte er nach Armeeangaben. Der israelischen Armee wird regelmäßig vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen die Angreifer vorzugehen. Es gab bisher kaum Berichte, dass Siedler nach Attacken zur Rechenschaft gezogen wurden.